Gedanken über Tango Unterricht | 1. Teil
Teil 1: Der Einstieg – Unterricht für Anfänger
Dies ist der erste Teil eines thematisch umfassenderen Beitrags, den ich vor etwa einem Jahr begonnen, dann aber pausiert habe. Jetzt greife ich ihn wieder auf, weil mir das Thema nach wie vor am Herzen liegt: der Tango-Unterricht.
Im Fokus dieses ersten Teils steht der Einstieg – also der Unterricht für Tango-Anfänger.
Antworten auf „Gedanken über Tango Unterricht | 1. Teil“
Lieber Klaus,
zunächst einmal herzlichen Dank, dass Du den Blog wieder betreibst und dass Du Dich überhaupt um das Thema Tango-Lehrer, Methodik und Didaktik bemühst.
Viele Tango-Lehrer können wahrscheinlich mit den Begriffen Methodik oder Didaktik garnichts anfangen.
Wir alle wissen, dass es auch im „normalen“ Schulunterricht „gute“ und „weniger gute“ Lehrer gibt. Wenn man genauer hinschaut ist nicht jeder Lehrer für jede/n Schüler:in gleich gut geeignet und
nicht jeder Lehrer hat die gleiche „pädagogische“ Ausbildung, geschweige denn psychologische Ausbildung.
Ich empfehle jedem angehenden (Tango-)Lehrer „Das erzieherische Verhältnis“ von Hermann Nohl als Grundlagenliteratur!
Veränderung tut weh! Niemand will sein eigenes Weltbild zerstören, sein Bild des Tango, wie er es aus dem Fernsehen („Let’s Dance“) oder von den Standard-Turnieren her kennt.
Das „Fremde“ wird immer erst zu innerem Widerstand führen, wie wir es ja auch beim Thema Immigration täglich erleben. Erst, wenn man das/den Neue/n näher kennen“gelernt“ hat, schwindet langsam die Furcht vor dem Anderssein.
Jeder Lernschritt bedeutet Veränderung! (Gerade beim Tango! Learning by doing, heißt hier „Tanzerfahrung“, Verinnerlichung.)
Als „normaler“ Pauker ist mir klar, dass der Spaß erst kommt, wenn man’s kann, d.h. beim Tanzen!
Nur mit häufigerem Üben und Anwenden des Gelernten auf Milongas lässt der Schmerz nach!
So ist z.B. die Devise einiger traditioneller Tanzschulen: Hauptsache, die Tanzpaare haben Spaß beim Unterricht! Dann machen die Paare auch weiter, egal, was unterrichtet wird.
Der Tanzlehrer wird zum Animateur degradiert! Das Lernziel ist, Spaß auf jeden Fall! Ein Spaß, der dazu führt, die „Eleven“ vom Lernprozess abhängig zu machen, die wie Ratten konditioniert werden.
„Wir hatten viel Spaß! Gelernt haben wir nichts“ so die Devise(n).
Wie im Blog bereits bemerkt, geht es hierbei nur um’s Geld.
Guter Unterricht ist Luxus! Was ich in der Lehrerausbildung gelernt habe und zu meiner Maxime gemacht habe:
Das Unterrichtsziel eines jeden (guten) Lehrers sollte sein, sich selbst überflüssig zu machen!
Das kann sich nicht jeder Tanz-/Tango-Lehrer leisten!
Diese Maxime sollte hingegen auf jeder Leistungsstufe gültig sein, unabhängig davon, wieviel der Lehrer/die Lehrerin selbst kann.
Wodurch sich auch die Diskussion erübrigt, wie gut der/die Tanzlehrer:in selbst tanzen können muss. Was ist denn mit all den älteren, erfahrenen Tanzlehrern (z.B. aus Argentinien…),
die „nicht mehr“ so gut tanzen können, da sie die Knochen kaputt haben, aber trotzdem aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen, da sie ihr ganzes Leben dem Tango gewidmet haben.
Der Weg von „Quantität“ der Tanzschritte, den akrobatischen Showfiguren, hin zu musikalischer Bewegungs“qualität“ kommt mit dem Alter von selbst!
Ihr wisst, wie es läuft: „Zeig mal!“ „Was hast Du Neues gelernt? Wie geht das?“ Und schon sind wir beim „Figurentanzen“, beim „Vokabeln“aneinanderreihen (Choreographie), ohne dass die „Grammatik“ dazu befähigt, eigene „Sätze“ selbständig spontan zu sprechen,
ohne verstanden zu haben, wie es funktioniert, ohne den „Sinn“, das Beziehungsgefühl, des kommunikativen Prozesses erfasst zu haben.
„Freies Sprechen“ – „Freies Tanzen“ – Improvisation… Wer will das Verbieten? „Tanzlehrer“, und umso mehr „Tangolehrer“, ist ein „Freier Beruf“!!! Das hat damit zu tun, dass Tanzen eine „Künstlerische Berufung“ ist…
Im Endeffekt geht es bei der ganzen Diskussion doch nur darum, wer jemandem verbieten soll/darf, Tango (oder andere Tänze) zu unterrichten!
Jeder Versuch, die Tango-Lehrer Ausbildung zu standardisieren, wird darin enden, den Tango selbst zu standardisieren!?
(Die “Freiheit der Lehre“ ist nicht zuletzt auch der Grund für das föderalistische System, nachdem Bildung und Kultur Ländersache ist!)
Abrazo,
Jürgen
Liebe Jürgen,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag.
Und ich kann vieles – eigentlich alles – bestätigen, was Du schreibst.
Eigentlich könnte man das Problem der „Hauptsache Spaß“ – Fraktion mit der fehlenden Unterscheidung von Methodik und Didaktik beschreiben:
„Wenn Spaß zur Didaktik wird und nicht methodisch eingesetzt wird, kommt nicht viel dabei heraus.“
Aber um es mal ehrlich zu formulieren: Eine rein kommerziell konzipierte Tanzschule kann allein aus ökonomischen Gründen kein Interesse daran haben, dass sich ihre Kundschaft auf die „eigenen Füße“ stellt und unabhängig wird. Dieser Widerspruch wird nicht deutlich genug ausgesprochen. Wenn man aber als Tangolehrer weiß, dass die guten Tanzschüler:innen auf der öffentlichen Piste die beste Referenz für die eigene Tanzschule und für neue Schüler sind, dann geht das Konzept „Schüler-unabhängig-machen“auf.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wendel
Lieber Klaus Wendel,
leider scheitert ein Vorschlag (im D-A-CH Gebiet), einen Tangolehrer-Ausbilder anhand seiner Schüler zu bewerten an ganz praktischen Gründen. Zum einen, weil es nur wenige gibt, die eine Liste von präsentablen Lernenden vorweisen können, zum anderen, weil die Absolventen solcher Ausbildungen selbst lieber auf ihre Kurse bei Pablo Veron, Angel Zotto, Geraldin Rojas etc referenzieren.
Aus psychologischer Sicht dürfte das auf den gleichen Effekt zurückzuführen sein, wie der Umstand, dass jene Kurse eines argentinischen Gastlehrer-Paares, die das Wort „Masterclass“ im Titel tragen, als erste ausgebucht sein werden.
Wonach sollte sich ein Lernwilliger denn nun richten? Vor diesem Hintergrund würde ich die Verbindung zu der Mundial als einen wichtigen Aspekt (unter mehreren anderen) sehr positiv sehen.
Auch, wenn dann vermutlich Franco & Bruna die einzigen in Deutschland sein dürften, die eine Tangolehrerausbildung anbieten dürften.
Mit freundlichen Grüssen aus dem 1. Bezirk,
Tango Vifzack
Lieber Vifzack,
Alles schöne Vorschläge, aber sie scheitern wohl an der Realität, das beweisen die vielen, unterschiedlichen Motive des Tanzpublikums Tango zu lernen.
Dein Vorschlag: Das würde – auf das Reiten übertragen – bedeuten, dass ein Reitlehrer bei einem Mitglied der Spanischen Hofreitschule ausgebildet worden sein müsste.
Ich schreibe jetzt erstmal über Tangoschulen, Tangolehrer in Deutschland.
Bei der ganzen Diskussion vergisst man immer deren Ansprüche, an sich, an die Tanzschule und das Lernziel. Der Lern- und Übungsfleiß der meisten Tangoschüler ist nicht sehr ausgebildet.
Wir habe hier in Deutschland keine besonders gute Tänzer als Tangolehrer, Einige können sich jedoch sehen lassen und machen seit Jahren gute Arbeit. Wir habe eine lebendige Szene. Die meisten tanzen vielleicht nicht besonders gut. Und das liegt nicht unbedingt an den Lehrern, denn Paare, zumindest schon mal qualitativ an den Status des Lehrers heranzuführen, scheitert meisten schon.
Viele unterrichten auch Schrott, aber deren Schüler, die es wirklich wissen wollen, wechseln die Tangoschule oder zumindest den Lehrer.
Die wenigsten Tänzer:innen möchten an Wettbewerben teilnehmen, sehen dieses sogar ab.
Sie bevorzugen das Schräge, das Persönliche.
Bruna & Franco haben auch nicht unbedingt so viele Schüler, wie man es erwarten könnte, Sie machen es auch als Hobbylehrer, denn Franco ist beruflich selbstständig und sie verdienen sich so Geld für ihr kostspieliges Hobby dazu.
Die ganze Lernstruktur, der fehlende Ehrgeiz, noch nicht einmal Städtemeisterschaften ist ganz anders als in Buenos Aires, bitte den 2. Teil meines Blogartikels ab „Gedanken über Tangounterricht | 3. Teil“ ab. Ich werde auf die Problematik in Deutschland nochmal genauer eingehen.
Sogar Berlin, immer als deutsche Tango-Hauptstadt gepriesen, enttäuscht die meisten Besucher bezüglich Qualität der Durchschnittstänzer. Selbst der Kreis der „Hardcore-wir-wollen-es-wissen-Tanzpaare“ ist sehr begrenzt, obwohl sich dort viele – tänzerisch – gute Tangolehrer aufhalten.
Das alles erwähne ich hier, weil so ein hoher Tanzstatus gar nicht in großer Menge verlangt wird.
Viele haben auch garnicht das Geld für eine so aufwändige Lehrer-Ausbildung, und die geht ja auch zeitlich nicht mal eben nebenberuflich.
Dass hier alles so ist, wie es ist, hat wohl seinen Grund, es liegt nicht allein an mangelndem Willen oder Können der Tangolehrer.
Mit lieben Grüßen aus dem II. Stadtbezirk Essen (kein Witz!)
Klaus Wendel
Lieber Klaus Wendel,
leider kann ich der Aussage „weil so ein hoher Tanzstatus gar nicht in großer Menge verlangt wird“ nur sehr begrenzt zustimmen, denn diese weist eine gewisse Unvereinbarkeit mit dem bereits angesprochenen Phänomen der schnellen Überfüllung der „Master-Classes“ auf.
(Letzteres ganz besonders in unserem Nachbarland Deutschland zu beobachten)
Trotz dieses Dissens, war es bislang eine anregende Diskussion und ich würde mich daher freuen, wenn Du dieser Thematik einen eigenen Blogbeitrag widmen könntest.
Mit freundlichen Grüssen aus dem 1. Bezirk,
Tango Vifzack
Lieber Vifzack,
ich glaube nicht, das es ein so grundlegender Dissens war, denn wir haben unbeabsichtigt ein wenig aneinander vorbei argumentiert:
denn ich meinte die praktische Umsetzbarkeit und Du die theoretische Optimal-Forderung, wie es sein sollte. Und da stimme ich mit Dir überein.
Und ja, ich werde dieses Thema in einem weiteren Teil behandeln und unsere Meinungen dabei berücksichtigen. Wobei ich zuerst mal ausgiebig recherchieren sollte, wie bisherige Lehrerausbildungen so gelaufen sind – viel Arbeit. Ich danke Dir für Deinen Beitrag.
Mit freundlichen Grüßen aus dem II. Stadtbezirk Essen
Klaus Wendel
Mmh, gleiches Phänomen … bei dir liest sonst auch keiner mit, oder warum kommentieren auch hier immer die gleichen Nasen 🧐
Aber mal ehrlich, kann es sein, dass Gerhard‘s Anwesenheit als wahrgenommer, masochistischer Klassenarschloch bei euch irgendeine Art von Katharsis ausgelöst hat … Angesichts der unbenommen wirklich interessanten und endlich relevanten Themen ?!? Gaaanz ehrlich, na … na 🤔🧐
1. Nicht jeder Leser kommentiert.
2. Wodurch schließt Du auf meine Zugriffszahlen?
3. Katharsis? Gute Frage, aber nein, ich hatte die meisten Artikel und Themen schon ziemlich lange in meiner Pipeline. Außerdem gab’s da einiges noch thematisch zu verbessern.
4. G.R.ist ganz weit weg. Mal sehen, ob er sein Konzept ändert, oder ganz schweigt oder…?
5. Mein Blog besitzt noch nicht einmal ein vernünftiges SEO, d.h. da mir Zugriffszahlen ziemlich schnuppe sind, ganz im Gegensatz zur Qualität meiner Artikel, also genau diametral zu Gerhard.
6. Besonders interessant finde ich, wie Du hier manchmal um die Ecke geschlichen kommst, mit seltsamen – naja – „Kommentaren“, während Du so einen Tonfall bei Gerhard tunlichst vermeidest.
(Oder in Fabelform: auf Gerhards Blog wedelst Du mit dem Schwanz und auf meinem hinterlässt Du kleine Pfützen.)
Das lässt zumindest auf mangelnden Respekt mir gegenüber schließen. Wenn das so sein sollte, dann schleich Dich lieber woanders um die Ecke.
Echt, Markus?
Der letzte Stand war, daß seine Frau gerne mit Christian Beyreuther einen Kurs bei einem Welmeisterpaar gemacht hätte, während er zuhause hätte bleiben müssen.
Wenn diese Peinlichkeit bei ihm eine Katharsis ausgelöst hat, wird er dazu sicher einen Post auf seinem Blog schreiben, wo Du es dann nachlesen kannst.
Als sehr treffend hat mir die Schilderung der Korrelation zwischen den Anbietern von Lehrerausbildungen und deren Konten gefallen.
Nun stellt sich die Frage, welche Qualifikation ein solcher Ausbilder der Ausbilder besitzen sollte.
Da es keine formal notwendigen Voraussetzung (eventuell mit Ausnahme der Inhaberschaft eines Bankkontos)
wäre doch eine Empfehlung für eine solche diskussionswürdig.
Wie stehen Sie zu der Forderung mindestens das Vorfinale in der Mundial erreicht zu haben?
Das würde zwar einerseits zu einer gewissen Marktbereinigung führen, andererseits aber die Möglichkeit für neue Produkte im Tangoschulenumfeld schaffen, wie z.B. Vorbereitungskurse für das Campeonato (um wenigstens über die Qualifikationrunde zu überstehen).
Hier würde mich Ihre Einschätzung interessieren.
Mit freundlichen Grüßen aus dem 1. Bezirk!
Tangovifzack
Alles sehr gute Diskussionsvorschläge.
Ich selbst bin der Meinung, dass eine Ausbildung als Tango-Lehrer eine Mindestvoraussetzung incl. Gütesiegel sein müsste.
Der ADTV (Allgemeiner Deutscher Tanzlehrer Verband) hat es ja auch als Voraussetzung für ihre Mitglieder eingeführt. Aber dort geht’s auch um Geld, also um Mitgliedergebühren. Deshalb sind die Prüfungskriterien tänzerisch nicht sehr hoch angesetzt.
Zu Prüfungskriterien gehören auch andere Themenbereiche, die oft kommerziellen Charakters sind, wie z.B. „Wie halte ich Tanzschüler möglichst lange in unserer Tanzschule?“ Auch ohne Prüfung in Tangoschulen oft ein unausgesprochnes Feature.
Aber die Vereinstrainer im Standardbereich haben alle zumindest Turnier-Erfahrung, dort lernt man als Teilnehmer dementsprechend auch viel mehr.
Der in Deutschland zuständige Tango-Verein ProTango e.V. hingegen nicht (von mir behandelt im Artikel“Cambalache“), da hätten sich auch viele Mitglieder in Frage stellen müssen. Im Übrigen habe ich die Beurteilung vieler Autonom-Tanzlehrer über andere Tangolehrer so beschrieben: Die Grenze der fachlichen Mindestkompentenz, die ein Tango-Lehrer haben sollte, wird immer am eigenen Kompetenzstatus angesiedelt.
Rohdeutsch: „alles, was ich kann, muss der andere mindestens auch können, ansonsten sollte er’s lassen.“
Als Voraussetzung für die Mitgliederaufnahme als Tangolehrer (nicht die Fördermitgliedschaft) galt bei ProTango e.V. die Steuernummer – die ja wohl jeder hat – ist ja wohl sehr bezeichnend. Also noch nicht einmal, ob jemand davon leben kann, also eine schon professionelle Mindestqualifikation. Aber vor einer Qualitätskontrolle und Ausbildung für Tangolehrer haben sie sich gescheut. Warum wohl? Da wären wahrscheinlich etliche durch’s Sieb gefallen.
Also, um mal auf Deine letzte Frage zurückzukommen:
Eine bloße Teilnahme an der Mundial? Vielleicht als Abschlussprüfung.
Hast Du Dir mal angesehen, wer da alles mitmacht? Das wird ja oft garnicht gezeigt. Nach den ersten Vorentscheidungen sind aber dann schonmal einige dabei, an denen sich die deutsche Lehrerschaft, auch ich, messen lassen müsste. Aber ersetzt allein tänzerisches Können pädagogische Fähigkeiten?
Ich hatte weniger alleine die Teilnahme im Sinn bei meiner Frage, als vielmehr eine qualifizierte Partizipation an dem Wettbewerb. Z.B. eine Teilnahme am Halbfinale der Mundial.
Mithin ist eine solche Teilnahme selbstredend kein hinreichender Nachweis für eine pädagogische Eignung. Diese sollte zusätzlich erbracht werden.
Um einem Missverständnis vorzubeugen: diese Forderung sollte ein Maßstab für Tangolehrer sein, die selbst eine Tangolehrerausbildung anbieten.
Für einen einfachen Tangolehrer sollte die Messlatte weniger hoch liegen. Wo würdest Du diese anlegen wollen?
Zu Deiner Frage, Klaus, wer bei dem Wettbewerb alles mitmacht, so muss man nur eine Web-Recherche durchführen, und erhält Ranglisten und zahlreiche Videoaufnahmen. Dass allerdings Paare aus dem D-A-CH Sprachraum höchst vereinzelt jenseits der Qualifikations-Runde auftauchen (von der Finalrunde ganz zu schweigen), sollte zusätzlich zu denken geben, bestätigt aber Deine Aussage dass statt nachweisbarem Können eine Steuernummer als ausreichendes Surrogat angesehen wird.
Mit freundlichen Grüßen aus dem 1. Bezirk!
Tango Vifzack
Ob die Mundial als Maßstab für Tango-Lehrerausbildungen gelten sollte, verneine ich. Denn die technisch unterschiedlichen Tanzstile – damit meine ich die zwischen „apilado bzw. „milonguero“ – und anderen – würden dann ja garnicht mehr unterrichtet. Das wäre eine bedenkliche Standardisierung und würde die bunte Vielfalt zerstören.
Die Kriterien für Tango-Lehrerausbildungen sind sehr schwer unter einen Hut zu bekommen, wenn man keine Standardisierung möchte. Da alles so verschwommen erscheint – zwischen Inkompentenz, Kompetenz und Stilen, wird das sehr schwierig.
Lieber Klaus Wendel,
Nun ich meine doch, dass die qualifizierte Teilnahme an der Mundial ein Maßstab sein sollte – und um auf Deine Einwände einzugehen – allerdings nicht der einzige.
Nicht in dem Sinne, dass nur noch der im Reglement ‚Tango Pista‘ definierten Stil unterrichtet werden sollte. Gerne doch auch andere Stile, also z.B Apilado oder Milonguero, oder Orillero, Canyengue, Villa Urquiza etc (um nur einige zu nennen).
Oder, warum nicht auch von der anderen Seite des Spektrums auch gerne Tango Escenario?
Die Idee war jedoch, dass jemand, der Tangolehrerausbilder sein möchte, auch wirklich nachweisen können sollte, dass er selbst in der Königsdisziplin mithalten kann.
Allerdings, und da liegt vermutlich zwischen uns kein Dissens vor, sollte er auch gleichfalls belegbare andragogische Kenntnisse vorweisen können.
Und einiges mehr.
Zugegeben: vor dem Hintergrund Deiner Erfahrung mit Pro-Tango würde ein Protestschrei laut werden.
Aber abgesehen von dem Konsumentenschutz (eine Ausbildung kostet je nach Anbieter durchaus mehrere tausend Euros), würde ich eine deutliche Verbesserung der Ausbilder-Auszubildenden-Beziehung sehen.
Denn die Berechtigung des Ausbilders (bislang eher geprägt von der Maxime „Dieu et mon droit“) kann dann mehr von dem Motto „Pour le merite“ geprägt sein.
Mit Grüssen aus dem 1. Bezirk,
Tango Vifzack
Lieber ‚Tango Vifzack‘ (ein Pseudonym?),
das sind hohe Anforderungen, eigentlich hast Du Recht: ein Lehrerausbilder sollte tänzerisch sehr hohe Qualitäten, aber auch ein theoretisches Wissen über Tango haben.
Was mich bei einem Lehrerausbilder mehr überzeugen würde, sind seine/ihre Tanz-Schüler:innen. Sie geben mir doch mehr Auskunft über seine/ihre Qualifikation als Lehrer:in, als irgend ein Titel.
„Gut tanzen“ heißt nicht unbedingt „gut unterrichten“. Ich habe eine ganze Reihe guter Tanzpaare kennengelernt, aber da waren oft auch sehr schlechte Lehrer:innen dabei.
Ein guter Repetitor für Konzertpianisten muss auch keine Konzerte geben müssen. Ich habe schon oft Lehrer unterschätzt , weil ich sie nur nach ihrem Tanz beurteilt habe. Zum Beispiel mein Lehrer Antonio Todaro († 1994) war nicht unbedingt ein sehr guter Tänzer, aber mit viel Erfahrung. Von Beruf Maurer. Er hat die gesamte damalige Bühnentänzergeneration der 70-80er Jahre Miguel & Osvaldo Zotto, Milena Plebs, Alejandro Aquino, Vanina Balou uva. geprägt.
Das meiste Schrittmaterial der heutigen Mundial-Teilnehmer geht auf ihn und seinen Freund Raul Bravo zurück. Aber nicht Juan Carlos Copes, einer der besten Bühnentänzer dieser Zeit. Pablo Veron ebenfalls Spitzentänzer, aber… (wir wissen es alle).
Fazit: Eigentlich ist ein Lehrerausbilder kein Tanzausbilder, (denn er sollte nur sehr gute Tänzer:innen annehmen, aber das liebe Geld?), sondern jemand der das Tangolehren vermittelt.
Er/sie sollte ausgebildeter Tanzpädagoge:in sein, als Grundausbildung. Dann braucht er/sie gute Tango-Lehrkonzepte, z.B. Eric Dinzel). Erfahrungen von bürokratischen Hindernisse, Gema und steuerrechtliche Dinge haben. usw.
Fazit: gut tanzen & gut lehren befähigt Lehrerausbilder
Liebe Grüße von Klaus Wendel
Hi Tangovifzack,
dir geht es um die Qualifikation eines Lehrers, andere Lehrer zu Lehrenden auszubilden, richtig?
Und was als transparentes Gütesiegel herhalten könnte 🤔
Mmmh, dabei stellt sich dann die Frage, wie relevant es ist, ob dieses Wissen aus der Primärquelle stammt oder auch nicht.
Weil dieser Beitrag zunächst den Beginner Unterricht behandelte, würde ich die Frage nach der Qualifikation zunächst hinten anstellen, bis wir wissen, welche Ansprüche an den Fortgeschrittenen und Amateur/Profi/Master Unterricht gestellt werden.
Aber vorweg: ohne die eigene Erfahrung einer Kultur, kann diese nicht wirklich weiter vermittelt werden, denke ich.
Als Lehrende:r für Lehrende wird es nicht ausreichen, immer mal wieder Argentinische Gäste bei sich zuhause zu haben.
Oder es ist einem egal, wenn der Tango in der eigenen Kultur assimiliert wurde und man „nur“ diese Essenz noch weiter trägt bzw. sich vermitteln lassen möchte!?!
LG
Ein schöner, ehrlicher Text. Sehr gut! Wie war das eigentlich bei mir? Ich erinnere mich an meinen ersten Tangounterricht. Das war (ehrlich gesagt) eher zum Entfernen vom Tango. Da dudelte irgendeine Musik und wir sollten uns bewegen. Kleine Linksdrehung, Pugliese-Drehung usw. Mein Unterricht endete plötzlich, als eine Pseudo.Milonga aus dem Lautsprecher im 2/2 Takt ertönte und uns der Lehrer anwies, einfach weiter zu machen, Musik wäre ja nicht so wichtig.
Ich bin ein langsamer Lerner, aber da wurde mir klar, das geht so nicht und ich besuchte den Unterricht nie wieder. Es folgte intensive Arbeit mit vielen Lehrer(-paaren) und so langsam begriff auch ich, worum es geht.
Es folgten viele Kurse bei Lehrerpaaren, die mehr wert auf die Musik legten. Das war gut und ich bereue es nicht. Natürlich gab es auch Unterricht aus dem ich nicht so viel mitgenommen habe. (Auch bei Argentiniern.)
Ich denke auch, die Musik ist essentiell. Beim Tango geht es um die Begegnung, die Kommunikation im Paar. Es geht nicht um das eigene Ego. Das vergessen leider viel zu viele.
Schöne Grüße
Wenn ich jetzt von einem Blogger – wie Dir – gelobt werde, macht mich das ein klein wenig stolz – dieses Ego mag erlaubt sein.
Also hab Dank für die motivierenden Worte!
Dass Du Dich trotz widriger Unterrichtserfahrungen trotzdem durchgewühlt hast, ist doch eine lobenswerte Hartnäckigkeit.
Vielleicht hat sich die (westliche) Menschheit da wirklich geändert – kürzere Aufmerksamkeitsspanne, niedrige Frustrationstoleranz, eine „alles sofort auf Knopfdruck“-Erwartungshaltung. Man kann sich darin einrichten und damit vielleicht auch durchs ganze Leben kommen – ohne jemals zu merken, was einem da entgeht. Ich denke, solche Leute hat es immer schon gegeben, es ist nur einfacher geworden, auf diese Schiene zu kommen.
Klar, „deren Problem“ ist auch nicht ganz richtig; für Tangolehrer und Veranstalter sicher nicht, und als normaler Milongabesucher freue ich mich auch, wenn es eine größere Auswahl an potentiellen Spielgefährtinnen gibt.
Dennoch denke ich, man muß sich nicht total verbiegen, um den Newbies einen vermeintlich barrierefreien Zugang zu bieten. Klar, Didaktik läßt sich optimieren, und Obiges darf kein Ersatz für Schlampigkeit beim Lehren sein. Musikbasiertes Lehren finde ich super – ich bin selbst sehr musikaffin. Und wenn ich zwei ansonsten vom Aufwand her identische Wege habe, um ein Ziel zu erreichen, der eine mit, der andere ohne Spaß, ist die Wahl klar. Es gibt nur eben Grenzen der Vereinfachung, und das kann man denke ich, auch selbstbewußt vertreten. Bis etwas wirklich im „System 1“, des automatischen Abrufs, Muskelgedächtnis, inneres Modell, etc., drin ist, braucht es halt Wiederholungen. Etwas pointiert könnte man sagen, es ist einer der Jobs des Lehrers, seine Schüler so lange bei Laune zu halten, bis das passiert ist.
Du schreibst: „Bis etwas wirklich im „System 1“, des automatischen Abrufs, Muskelgedächtnis, inneres Modell, etc., drin ist, braucht es halt Wiederholungen. Etwas pointiert könnte man sagen, es ist einer der Jobs des Lehrers, seine Schüler so lange bei Laune zu halten, bis das passiert ist.“ Damit bringst Du’s auf den Punkt.
Kommt nur drauf an, WAS? Der Nachteil bei „eingebimsten Bewegungsmustern“ – ohne die niemand auskommt – ist ja, dass die unbewusste „ad-hoc-Entscheidungs-Reaktion“ für alternative Bewegungsoptionen damit nicht geschult wird. Denn die eigentlich Lehr-Aufgabe besteht ja darin, den Leuten die „Entscheidung für das eine oder andere“ beizubiegen. Diese blitzschnellen Reaktionen zu erreichen, funktioniert nicht, wenn der Tänzer immer nur eine Möglichkeit übt. Deshalb trainiere ich mit „Entscheidungsschnittstellen“ Wie das funktioniert, erkläre ich ja in den nächsten Teilen. Sehr interessant, wie dabei Bewegungsabläufe im Kleinhirn (Muskelgedächnis) zwischen Basalganglien und motorischem Cortext bzw. prämotorischem Cortex gesteuert werden.