
Gedanken über Tango-Unterricht | 13. Teil
Teil 13 | Pausen, Stops, ganze Noten oder Melodiebögen tanzen
Ein besonders feines Detail, das beim Tangotanzen oft übersehen wird, ist das Tanzen von Pausen. Der Begriff ist dabei ein wenig irreführend – wir reden ja nicht von einer „Butterbrotpause“, sondern vom bewussten Innehalten. Gemeint sind jene musikalischen Momente, in denen keine hörbaren Taktschläge erklingen oder eine dramatische Stille einsetzt – kurz bevor die Musik meist dynamisch weitergeht.
(Wer dabei „Pause“ allzu wörtlich nimmt – im Sinne von Rasten oder Ausruhen – verpasst nicht nur die musikalische Spannung, sondern offenbart vielleicht auch ein Missverständnis des Tangos. Nicht vorgekommen? Ich kenne da jemanden …)
Dass viele Tänzer in der Milonga eher auf dem compás – also auf 1 und 3 – unterwegs sind, gerne auch mit Verdopplungen, ist leider keine Seltenheit. Dabei kann gerade die Zurückhaltung im Tempo, eine bewusste tänzerische Pause, ein großartiges Stilmittel sein: Um einen neuen Schritt vorzubereiten, um Gewicht zu setzen, um Spannung zu erzeugen. Nicht jedes Tangostück bietet solche Pausen – aber viele tun es. Und sie wollen getanzt werden.
Pausen tanzen heißt: hören, fühlen, stehen können
Im Unterricht ist das Thema durchaus heikel: Viele Tänzer denken beim Gehen im Tango vor allem an Fortbewegung. Dass das Gehen aber nicht dem Zweck der räumlichen Distanzüberwindung dient – sondern der musikalischen Gestaltung durch das bewusste Setzen der Füße –, ist nicht allen bewusst.
Die räumliche Ebene steht bei den meisten im Vordergrund, nicht die musikalische. Das führt technisch zu einem Problem: Die wenigsten Führenden haben ein gutes Gleichgewicht in der Bewegungslosigkeit – oder in langsamen Musikpassagen. Warum? Weil sie „gehen wollen“, anstatt „zu sein“. Sie möchten sich von A nach B bewegen, statt einfach dort zu sein. Statt sich auf den Moment einzulassen, ruhen sie nicht in sich.
Dabei erzeugt auch das bloße Setzen eines Fußes – sogar ohne Gewichtsverlagerung – eine Spannung. Bewegung entsteht nicht erst, wenn man den Raum durchmisst. Auf der Bühne mag das sinnvoll sein, um Dynamik zu zeigen – auf der Milonga ist dafür kein Platz. Und auch nicht der richtige Ort.
Zeitlupe als Prüfstein
Wer sich einmal an einer Zeitlupen-Übung versucht hat, weiß: Der Gewichtstransfer von einem Bein aufs andere – ultralangsam – ist alles andere als trivial. Wobei … eigentlich schon. Denn im Alltag stehen wir ja ständig mal auf dem einen, mal auf dem anderen Bein. Warum ist es also im Tango plötzlich so schwierig?
Meine Antwort: Genau weil wir im Tango das Nichtgehen, das Bleiben, verlernt haben. Der Bewegungsimpuls ist so stark, dass wir kaum auf einem Bein verweilen wollen – oder können.
Ein weiterer Grund für dieses Problem ist ein oft unhinterfragter Lehrsatz: „Tango findet auf einem Bein statt.“
Aber Moment mal – wer hat das eigentlich genau beobachtet? Oder gar verlangt?
Ich habe das früher selbst so gesehen. Aber nie wirklich hinterfragt.
Doch: Von wem stammt dieses Gebot?
Zeigt mir die Regel!
Natürlich erfordert Tangotanzen ein permanentes Gleichgewicht. Aber das Balancieren auf einem Bein ist doch nur in jener Phase notwendig, in der das freie Bein aktiv wird. Wenn man diese Phase unnötig in die Länge zieht, braucht man natürlich mehr Gleichgewicht. Aber warum sollte man das tun?
Zeitlupentanz bietet sich übrigens für alle Figuren und Bewegungen an, wackeln zulassen, der Körper korrigiert das Gleichgewicht von allein.
Das Problem der Führung von Pausen
Dass viele Führende bei Pausen, Stops oder Verzögerungen scheitern, liegt oft schlicht an mangelhafter Führung. Denn eigentlich beginnt jede Pause beim anderen: Der erste Impuls muss die Bewegung der Partnerin betreffen – nicht die eigene.
Wenn sich der Führende zu sehr auf sein eigenes Anhalten konzentriert, kann das zwar rein theoretisch ausreichen, um auch die Partnerin zu beeinflussen – aber eben oft zu spät. Meist hat sie dann schon den nächsten Schritt eingeleitet. Die musikalische Spannung ist dahin, der gemeinsame Moment vertan.
Wer also eine Pause wirklich gemeinsam tanzen will, muss sich zuerst auf das Anhalten der Partnerin konzentrieren – nicht auf den eigenen Stillstand. Und das bedeutet nicht, dass man selbst automatisch wie eingefroren stehen muss.
Ein schönes Beispiel dafür ist die „sostenida“ – ein geführtes, quasi eingefrorenes Verharren der Partnerin in einer Position, während der Führende sich dabei weiterbewegt. Das kann ein leichtes, schwebendes Kreisen sein, ein achtsames Verlagern, ein Spiel mit Gewicht und Zeit.
Pausen tanzen heißt also nicht zwangsläufig: beide bleiben stehen. Es kann bedeuten: einer bleibt – und der/die andere bewegt sich um diesen Moment herum.*
Technische Details: Achsenverlagerung und Vorbereitung für den Schritt nach der Pause
Hat man es geschafft, eine Pause tatsächlich musikalisch und technisch zu tanzen bzw. zu führen, ist die Bewegung damit noch lange nicht vorbei. Pausen bedeuten keinen Stillstand – sondern schlicht das Unterlassen eines Tanzschritts.
Die Bewegung im Körper geht weiter: Eine Gewichtsverlagerung, ein langsamer Pivot, ein schwebender Planeo oder ein Adorno können diese Ruhephase musikalisch gestalten. Wichtig ist dabei: Die folgenden Partner brauchen dafür Raum, Gleichgewicht – und Unterstützung von der führenden Person.
Denn: Wenn beide Partner auf einem Bein stehen, wird es wackelig. Sehr wackelig. Das ist leider auch außerhalb von Pausen ein weit verbreitetes Problem: Instabilität – besonders dann, wenn sich beide im gleichen Moment auf einer unsicheren Achse befinden.
Besser ist es, wenn die führende Person in solchen Momenten bewusst auf zwei Beinen steht, um Stabilität zu bieten und der Partnerin damit Zeit und Vertrauen für eine elegante Verzögerung zu geben.
Die Kunst des Wartens – musikalisch, nicht nervös
Während man also äußerlich „stillsteht“, geschieht innerlich einiges. Beide warten auf das nächste musikalische Ereignis – etwa einen Taktschlag, der zum nächsten Schritt einlädt. Entscheidend ist dabei: Warten heißt nicht ungeduldig zappeln.
Leider sieht man das oft genug – ein nervöses „Wackeln“ vor dem nächsten Schritt, das nicht souverän, sondern unentschlossen wirkt. Gute Pausen wirken gelassen, präsent und klar. Denn die Fortsetzung der Bewegung ist meist musikalisch bereits absehbar – wer genau zuhört, spürt den kommenden Einsatz.
Aber: Wer zu früh loslegt, verpasst nicht nur den Höhepunkt, sondern gibt auch das tänzerische Statement auf. Im besten Fall wirkt das fahrig, im schlimmsten: peinlich.
Pause tanzen ist eine Kunst.
Und diese Kunst liegt – wie so oft im Tango – im weniger tun, nicht im mehr machen.
Pausen tanzen im Unterricht üben
Um Pausen tanzen zu lernen, braucht es zuallererst: geeignete Musik.
Wer hier auf modernen Pugliese zurückgreift, wird schnell fündig – seine Stücke sind reich an dramatischen Ruhephasen, retardierenden Momenten und plötzlichen Einsätzen. Klingt perfekt? Nicht ganz.
Denn genau diese dramatische Struktur bringt auch ein Problem mit sich:
Die Wiedereinsätze sind oft nicht eindeutig. Die Pausen können so lang und vage sein, dass sich bei vielen Lernenden Ungeduld breitmacht – und das führt schnell zu Frustration. Wer das ganze Stück im Unterricht einfach durchlaufen lässt, verliert viel Zeit mit musikalischen Passagen, die keine Übungsmöglichkeiten bieten – weil sie schlicht „durchtakten“, ohne markante Pausen oder Einsätze.
Meine Lösung: Ich schneide diese langsamen Passagen gezielt heraus und baue sie zu Loops um. So entstehen kurze, konzentrierte Übungseinheiten, die sich ganz dem Thema widmen:
Pausen tanzen. Warten lernen. Spannung halten.
Ein bei meinen Schüler:innen sehr beliebtes Musikstück für Pausen-Anfänger ist – und jetzt bitte nicht lachen – „Paris, Texas“ von Gotan Project.
Warum dieses Stück?
Die Taktschläge liegen so weit auseinander, dass das „Ruhen in sich“ fast schon unausweichlich erscheint. Wer hier nervös auf einem Bein wippt, statt einfach da zu sein, ist ehrlich gesagt: selbst schuld.
Der große Vorteil: Der nächste erwartbare Taktschlag kommt verlässlich in einem gleichmäßigen Metrum.
Selbst wer sich schwer tut mit musikalischem Hören – die Pause, der nächste Einsatz, das alles lässt sich hier wirklich gut erfassen.
Kurz gesagt:
Paris, Texas ist das Pausen-Tanzen für Einsteiger.
Langsam, eindeutig, gnadenlos ehrlich.
Melodiephasen und ganze Töne tanzen
Wenn Pausen tanzen schon eine Herausforderung ist, dann ist das Tanzen ganzer Melodiephasen – oder ganzer Töne – noch eine Stufe schwieriger.
Ein ganzer Ton als musikalischer Wert erstreckt sich in der Regel über vier Viertel, also einen ganzen Takt im 4/4-Takt. Im Tango beginnt dieser oft – aber nicht zwingend – auf der Eins. Das macht ihn tänzerisch greifbar und sinnvoll – vor allem, wenn man den langsamen Gewichtswechsel bewusst gestaltet.
Man kann aber seine Partnerin auch im normalen Tempo auf eine Gewichtsachse und anschließend in einen langsamen Pivot führen, es gibt also auch mehr Möglichkeiten.
Ich nenne schreibe aber hier über einen langsamen Transfer.
Dieser verlangt allerdings eine sehr präzise Führung – denn viele folgende Tänzer:innen sind bereits im nächsten Schritt, bevor sie realisieren, dass sie eigentlich noch in der Musik verweilen sollten. Das ist nicht unbedingt ihre Schuld: Der langsame Transfer wird viel zu selten geübt und ist entsprechend wenig verbreitet.
Das bedauere ich sehr.
In der Praxis sieht man dann oft: Der lange Ton wird einfach stehend auf einem Bein verbracht – was aussieht wie eine Pause.
Aber:
Ein langer Ton ist keine Pause.
Ein musikalisch durchgehaltener Ton verlangt nach einem lebendigen, bewussten Schritt – getragen, gedehnt, elegant. Nicht nach einem zufälligen Verharren.
Unsere Interpretation von Melodie & Rhythmus:
Anekdotisch sei hier erwähnt, dass ich meine Tanzpartnerin Esther bei unserem allerersten Tanz besonders schätzen gelernt habe, weil sie genau das intuitiv konnte. Was, bitte, ist schöner als eine musikalische Tanzpartnerin? Aber der Tanz auf dem Video war bei einem Ausritt im Via M ia in Köln. Und er veranschaulicht das Tanzen mit ganzen Tönen, Verdopplungen und anderen Stilmitteln von melodischem. Tanz.
Didaktisch gedacht: Schritte in Tonlängen tanzen
Tanzschüler:innen müssen lernen, Schrittfolgen auf verschiedene musikalische Werte abzustimmen.
Konkret bedeutet das:
- Schritte auf ganzen Takten
→ z. B. nur auf der 1, mit einer Dauer von 4 Vierteln oder mehr - Schritte auf zwei Taktschlägen
→ z. B. auf 1 + 3, also „langsam – langsam“ - Verdopplungen
→ z. B. auf 1+2+3 oder 3+4+1, also „schnell – schnell – langsam“ - Auch hier gilt: zuerst führen, der eigene Transfer gestaltet sich dann oft von alleine viel besser.
- Schritte auf ganzen Takten
(Ein entsprechendes Übungsvideo verlinke ich hier noch: Siehe [Übungsvideos])
Musik? Gibt’s genug – aber bitte geschnitten
Passende Musikstücke für diese Übungen gibt es reichlich – Tangos mit klaren Melodiephasen, gehaltenen Tönen, langsamem Aufbau. Aber auch hier gilt: Für konzentriertes Üben sind geschnittene Loops oft hilfreicher als komplette Stücke. Sie ermöglichen Wiederholung, Vergleich und gezielte Korrektur – ganz ohne Ablenkung durch Einleitungen, Zwischenspiele oder plötzlich wechselnde Tempi.
Fazit: Die Kraft des Innehaltens
Pausen tanzen heißt nicht, nichts zu tun – sondern bewusst nichts zu tun.
Es geht um das Aushalten eines Moments, das Zulassen von Spannung, das Verweilen im Jetzt. Ob als geführter Stillstand, langsamer Transfer oder gedehnter Melodiebogen – all das sind Ausdrucksformen von musikalischem Verständnis.
Leider sind diese Formen selten geworden. Viel zu oft dominiert der Bewegungsdrang, das Bedürfnis nach Raumüberwindung, das unreflektierte „Weitergehen“. Dabei liegt gerade im Nichtgehen eine enorme Kraft.
Was fehlt, ist nicht Talent – sondern Schulung.
Deshalb lohnt es sich, Pausen, Stops, lange Töne und Melodiephasen gezielt im Unterricht zu thematisieren. Nicht als Ausnahme, sondern als selbstverständlichen Teil des Tanzens.
Denn wer nicht nur auf 1+3 läuft, sondern auf Musik tanzt, gewinnt Tiefe, Präsenz und – am wichtigsten – Ausdruck. Und Ausdruck entsteht nicht durch Komplexität, sondern durch Klarheit im Einfachen.
Wer Pausen tanzen kann, tanzt mehr.
Wer ganze Töne tanzt, sagt mehr.
Wer weniger tut, bewegt mehr.
Und am Ende geht es doch genau darum: Musik nicht nur zu folgen, sondern sie zu verkörpern.
12 thoughts on “Gedanken über Tango-Unterricht | 13. Teil”
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Inzwischen hat Gerhard Riedl mit einem Blogartikel auf diesen Beitrag reagiert:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/erstmal-zusammen-atmen.html
Ich wünsche mir, dass ihn jeder mal durchliest und sich davon überzeugt, wie Urteilsfähigkeit durch Unkenntnis getrübt wird. Dass Gerhard sich seiner Unkenntnis nicht bewusst ist und sich hier öffentlich damit blamiert, belegt seine fehlende Reflexion und seine hartnäckige Verweigerung einer Weiterbildung. Meine Antwort an ihn:
REPLIK AN GERHARD: VIEL WIND UM WENIG SCHRITT
Hallo Gerhard,
dein Text ist amüsant zu lesen – wie immer, wenn Du Dich über Dinge lustig machst, die Du entweder nicht verstanden hast oder nicht verstehen willst.
Dass Du „Stopp“ mit zwei p bevorzugst, sei Dir gegönnt. Ich halte mich lieber an den musikalischen Kontext als an Duden-Rigorosität – beim Tango geht es schließlich um Ausdruck, nicht um Rechtschreiborthodoxie, an die sich übrigens das Bundesverkehrsministerium mit den STOP-Schildern ja auch nicht immer hält.
Du schreibst, Du bleibst bei schlimmem „Historien-Gedudel“ einfach sitzen. Verständlich. Nur schade, dass Du auch bei rhythmischer und tänzerischer Tiefe lieber sitzen bleibst – gedanklich.
Denn das, worüber Du dich mokierst – bewusstes Innehalten, musikalische Spannung, getanzte Atempausen – hat mit Neo genauso wenig zu tun wie mit Thermodynamik. Es hat mit Zuhören zu tun. Mit Können. Mit Timing. Drei Dinge, die man im Übrigen auch in Pörnbach brauchen kann.
Deine spöttische Anekdote zur Reanimation deiner Partnerin ist… sagen wir: entlarvend. Wer eine Pause gleich mit „Bewusstlosigkeit“ assoziiert, scheint im Tango vor allem eines zu fürchten: Stille.
Gerhard, wenn Du das nächste Mal „nix tun“ willst – bitte gern. Aber verwechsel das Nichttanzen nicht mit dem Nichtverstehen.
Herzlich,
Klaus Wendel
Lieber Klaus,
Danke Dir für die Klarstellung. Dann brauche ich diesen Unsinn nicht zu kommentieren. Gerhard hat offensichtlich nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung, worum es in unserer Diskussion geht. Und er wird ebenso wenig unsere Anregungen aufgreifen und ausprobieren, wie sich das bewusste Innehalten als tänzerisches Gestaltungselement anfühlt.
Liebe Grüße,
Helge
Lieber Helge,
ehrlich gesagt, es ist mir so ziemlich egal, ob Gerhard nun tänzerische Pausen einlegt. Er sollte sich besser mal auf „Bullshit-Pausen“ konzentrieren.
Liebe Grüße von Klaus
Aber Riedel,
bist Du vergesslich geworden und kennst Dich au Deinem Blog nicht mehr aus?
Aber ich helfe Dir gerne aus, und zeige, wo das Zitat steht.
Das ist der Link: http://milongafuehrer.blogspot.com/2024/05/liebes-tagebuch-82.html
Dafür musst Du nur, wie in der Schule einen Aufsatz schreiben und auf Deinem Blog veröffentlichen. Thema : „Warum ich ein Tanz-Riesenschrat bin“
Bin schon gespannt.
Liebe alle,
das Thema „Pausen“ wird in den letzten Kommentaren offensichtlich etwas weiter gefasst. Dann passen zwei Pausen-Punkte, die mir regelmäßig unangenehm auffallen, sicher auch noch dazu:
1.
Es gibt Tanzpaare, die bewusst innehalten und sich eine oft bis zu einer Minute lange Pause am Anfang einer Tanda nehmen. Die Musik hat längst begonnen, regt auch durchaus zum Tanzen an, und diese Leute stehen auf der Tanzfläche im Weg herum und weigern sich schlicht, mit dem Tanzen zu beginnen. Vielmehr ignorieren sie die Musik erstmal zugunsten ihrer smalltalk-Bedürfnisse.
Jochen Lüders hat dieses Fehlverhalten treffend als „ausgiebig quatschen“ charakterisiert (vgl. https://jochenlueders.de/?p=17216).
2.
Es gibt Tänzer, seltener Tänzerinnen, die sich inmitten einer Tanda unvermittelt die Freiheit zu einer Pause auf der Tanzfläche nehmen, um ihr Gegenüber im Paar zu belehren, wie ihrer Meinung nach ein Schritt oder eine Figur richtig zu tanzen sei. Dass um sie herum weiter getanzt wird und die Belehrung beim Gegenüber eher unerwünscht ist, stört sie in ihrer Lehrer-Pose nicht im Mindesten. Ich beobachte dieses Verhalten meist bei Leuten, die den Tango-Windeln gerade entwachsen sind und sich nun für Experten halten.
Zugegeben, das ist nicht die Art von Pausen, die hier ursprünglich angesprochen wurden. Aber vielleicht gibt das Gelegenheit, solche eher sozialen Missverständnisse irgendwann in einem eigenen Blog-Beitrag zu thematisieren.
Herzlich
Bernhard
Lieber Bernhard,
Wir und uns doch wohl einig, dass in meinem Artikel beim Begriff „Pausen“ ausschließlich „tänzerisches Innehalten“ gemeint ist und nicht, wie bereits erwähnt, „Butterbrot,- Tratsch,- oder Belehrungspausen“, die natürlich ärgerlich sind und erwähnt werden sollten. Also Danke für Deinen Hinweis. Aber der Begriff „Pausen“ für tänzerische Elemente ist wirklich missverständlich und wird ja von Riedl absichtlich und provokativ anders gedeutet.
Gruß Klaus
Lieber Klaus,
Da bist Du meinem eigenen Blog Beitrag zuvorgekommen…
Genau diesen Punkt habe ich vor ein paar Wochen in meinem Unterricht behandelt. Dazu vier Anmerkungen:
1.) Ich habe damit begonnen, dass die Teilnehmer erst einmal geübt haben, Pausen zu hören. Viele haben dieses „Ich gehe auf den Taktschlag“ schon so verinnerlicht, dass sie eine Pause gar nicht erkennen, geschweige denn umsetzen können. Also erst einmal ein paar Gehübungen (einzeln!) um die Pause zu hören und für sich selbst umzusetzen.
2.) Ich habe als wichtigste Botschaft formuliert: Eine Pause ist ein *aktiver* Zustand, kein passiver. Die Körperspannung bleibt erhalten, damit man jederzeit weitermachen kann, wenn die Pause vorbei ist. Das unterscheidet eine Pause vom Stopp am Ende eines Liedes.
3.) Deswegen ist eine Pause für mich auch kein Stillstehen (wie ein Flamingo), sondern eine aktive Pause, in der man sich ohne Schritte bewegen kann. Zum Beispiel kann der Führende eine „Mini Calesita“ führen, bei der sich die Folgende ein bisschen um ihre Achse hin und her dreht, wobei der Führende keinen Schritt macht, sondern diese Drehung nur aus seinem Oberkörper heraus führt. Das erleichtert die Balance und so kann man problemlos Pausen über mehrere Takte Länge tanzen.
4.) Aus meiner Neotango Erfahrung heraus: Man kann auch einfach stehen und eine Pause dadurch gestalten, dass man nur zusammen atmet. Als Beispiel habe ich „Tarde de Julio“ von Walter Rios verwendet. In den ersten 15 Sekunden kann man in aller Ruhe in die Umarmung gehen, die Verbindung aufbauen und nur zusammen atmen. Und erst dann, wenn man sich so aufeinander eingestellt hat, kommt der erste gemeinsame Schritt. Das ist eine unglaublich intensive Erfahrung, die bei allen Teilnehmern einen Aha-Effekt ausgelöst hat.
Liebe Grüße,
Helge
PS: Ja, ich habe natürlich auch „Paris, Texas“ zum Üben von Pausen verwendet. Allerdings gekürzt um die letzten anderthalb Minuten.
Liebe Helge, vielen Dank für den Kommentar und die schönen Beschreibungen, die meine Idee von Pausen bestätigen. Und „Paris Texas“ habe ich natürlich auch gekürzt, besonders den Anfang weggeschnitten. Mein Stück ist allerdings 5:00 Minuten lang.
Tschüss und Danke für die Verbreitung meiner „Gedanken über… Reihe“ auf Deinem Blog.
Lg. Klaus
PS: Ich mach jetzt erstmal ’ne Pause! Aber mit Spiegelei und Salat.
Dass Pausen sehr wichtig sind, will ein Pörnbacher nicht wahr haben. Wo er doch selbst intensive Erfahrung mit den Pausen gemacht hat.
Auf seinem Blog hatte er geschrieben:
„Mir war aber eine Blondine aufgefallen, die erst sehr spät erschienen war und wirklich schön tanzte. Leider trat auch die nach einer Tanzrunde erstmal die Wanderung zu den Fressalien an. Na gut – ich kann warten… Irgendwann saß sie dann tatsächlich mutterseelenallein herum. Jetzt oder nie!
Nein, so ihr Bescheid, sie mache gerade eine Pause! Bitte sehr, danke vielmals… Nur, Mädel, meine Jogginghosen made in Germany mache ich mir noch nicht mit der Beißzange zu! Nach einem Tanz schon wieder ermüdet? Na gut, auf meiner „Blöde Kuh-Liste“ ist noch einiges frei…“
Da hat Blondie dem Pörnbacher mal gezeigt wie man super gut ge-timed Pause beim Tango macht.
Haha, seitdem reagiert er beim Thema „Pause“ ziemlich eingeschnappt.
Das ist ja wieder eine typische Riedl-Reaktion: Bist du nicht für mich, bist Du gegen mich – also sofort ab mit dir auf die „Blöde-Kuh-Liste“. Demnach müssten hunderte Tänzerinnen auf dieser Liste stehen. Erschreckend ist, wieviel Gerhard hier öffentlich über seinen Charakter verrät, ohne es zu merken und das auch noch als „cool“ empfindet. Dass diese Dame offensichtlich lieber auf einen Tanz verzichtete, als sich mit diesem Tanz-Riesenschrat zu blamieren, aber höflicherweise nicht direkt sagte, darauf kommt der „Edle Ritter“ nicht. Er glaubt wahrscheinlich das Wort Aufforderung bestehe nur aus dem 2. Teil. Würde er den „cabeceo“ akzeptieren, hätte er sich diese Blamage erspart.