Gedanken über Tango Unterricht | 14. Teil
Teil 14: „Selber machen“ reicht nicht – warum Tango ohne Expertise oft im Chaos endet
Lernen heißt nicht improvisieren
Es gibt dieses romantische Bild vom argentinischen Milonguero, der nie einen Kurs besucht hat, aber magisch tanzt, einfach, weil er jahrelang in der Milonga gesessen und zugeschaut hat. Der Mythos vom instinktgetriebenen Genie, das durch „reines Erleben“ den Tango aufsaugt – ohne Lehrer, ohne Unterricht, ohne Technik.

Antworten auf „Gedanken über Tangounterricht | 2. Teil“
[…] „Also Leute, Ihr habt es von einem Fachmann gehört, bestehen da immer noch Zweifel an meinem Hinweis im Blogartikel ‚Führung‘?“ […]
[…] der Ich-Bezug wird im Teil 2 | Kapitel 2 bei „Mentale Verbindung im Paar“ https://www.tangocompas.co/gedanken-ueber-tangounterricht-teil-2/#mentale-verbindung […]
[…] Bevor wir über Achsen im Tango sprechen, empfehle ich, diesen Artikel zu lesen:👉 Kapitel „Orientierung in Raum und Sprache“ […]
Die Partnerin „vorausläuft“ ?
Wenn sie sowas macht, dann liegt daran, wo der Unterricht super langweilig ist.
Und Recht hat sie!
Frau will heute nicht mehr warten bis der Mann endlich seine Füsse sortiert hat und vielleicht auch mitbekommt, dass Musik läuft.
Bin selbst Tango-Instructor (in Berlin) und arbeite fast nur mit jungen Menschen und machen das richtig ganz klassisch mit dem Grundschritt anzufangen. Also der 8er Basic-Step. Da lernt jeder erstmal was ganz klar Sache ist, und was er/sie machen muss. Kein Missverständnis mehr.
Für alle Klarheit.
Und dann kann man etwas mit dem Speed arbeiten, also z.B slow- quick-quick usw bis zum cross.
So finden die Ladies und Jungs das super cool.
Abgesehen davon, dass ich den Ausdruck „vorausläuft“ weder verwendet noch inhaltlich so gemeint habe, finde ich es doch bemerkenswert, wie schnell du aus einem Gedanken über Timing und Körperwahrnehmung auf die Qualität meines Unterrichts schließt – und das in einer Tonlage, die sehr nach dem Motto klingt: „Mein Unterricht ist sowieso der beste.“
Das ist übrigens eine typische, diskursresistente Haltung, die man öfter bei Tango-Lehrer:innen antrifft, die noch sehr nah an ihrer eigenen Begeisterung kleben – aber wenig Reflexion über didaktische Breite mitbringen.
Was deinen Verweis auf den sogenannten „8er-Grundschritt“ betrifft:
Der Achter-Basisschritt des Tango im Parallelsystem, wie man ihn in der Welt außerhalb von Buenos Aires fast universell eine Zeit lang tanzte, wurde unter Milongueros nie als ‚Salida‘ gelehrt und wird von ihnen als ‚el basico academico‘ verspottet.
Der wird zwar gerne als Basis verkauft, ist aber historisch betrachtet kein grundlegender Bewegungsschritt, sondern ein Konstrukt der „Tango-for-Export“-Welle – vermutlich, weil man ihn Gringos leichter beibringen konnte. Ich habe ihn selbst in den späten 80ern von Antonio Todaro gelernt – und ziemlich bald festgestellt, wie wenig er taugte, um echten, musikalischen Tango zu vermitteln.
Eine ganze Generation von Tanzschüler:innen in Europa haben sich daran abgearbeitet:
Der 8er ist bewegungshemmend, musikalisch überfrachtet und für Einsteiger:innen oft motorisch unlogisch.
Das Resultat: ein hölzerner, puppenartiger Tanzstil, oft ohne Knieeinsatz, ohne Musikalität, ohne echten Kontakt.
Übrigens könnte ich dir noch einige Dinge über diesen 8er erzählen, die du sicherlich noch nicht weißt – weil sie mir von Leuten vermittelt wurden, die ihn noch in einem código-Schritt-System tanzten. Pepito Avellaneda und Eduardo Arquimbau, zum Beispiel. Da zeigt sich: Der 8er war ursprünglich etwas ganz anderes als das, was heute unter „Grundschritt“ verkauft wird, nämlich eine in Linie getanzte „circulación“ mit „salida“ und „cierre básico“.
Natürlich: Bei jungen, sportlichen Tänzern mag das alles leichter umzusetzen sein.
Aber in Deutschland liegt das Durchschnittsalter in den Kursen eher bei 30 aufwärts. Und dort braucht es eine andere Methodik – eine, die den Körper ernst nimmt und Bewegung aus Musik und Verbindung heraus aufbaut, nicht aus dem Nachzeichnen von Schrittbildern.
Wenn du im Unterricht mit einer Schrittsequenz, wie dem 8er-Basic, erfahrungsgemäß bei jedem einzelnen Tanzpaar eine andere Fehler-Baustelle zu korrigieren bekommst, frage ich dich, wie du dabei deine erwähnte „Klarheit“ erreichen willst.
Und zuletzt:
Zufriedenheit bei Anfänger:innen ist keine Kunst – sondern das Mindeste.
Wer das als „Instruktor“ nicht regelmäßig erreicht, sollte sich fragen, ob er im richtigen Berufsfeld gelandet ist.
Hi 🙋🏼♂️
„Pepito Avellaneda und Eduardo Arquimbau, zum Beispiel„ erzähl mehr, dass interessiert mich 🤗 um zu erfahren wo es herkommt 🤔
Gerne, in einem Extra Beitrag über die sogenannte ‚base‘. Gute Idee, Danke!
„Die Partnerin „vorausläuft“ ?
Wenn sie sowas macht, dann liegt daran, wo der Unterricht super langweilig ist.
Und Recht hat sie!“
Nein, sie hat ganz sicher nicht Recht. Wenn eine Folgende nicht auf den Vorschlag des Führenden wartet, sondern selber schon mal losläuft, weil sie glaubt zu wissen, welcher Schritt als nächstes folgen wird, dann ist das maximal übergriffig. Sie zerstört damit den Dialog, den Klaus richtig beschreibt. So eine Frau sollte lieber irgendwas tanzen, wo sie keinen Tanzpartner braucht. Bauchtanz, Flamenco, was auch immer. Aber ganz sicher keinen Tango Argentino.
Vorsicht, Helge, bei dieser Dame solltest Du Dich vorher mal informieren, um wen es sich handelt, ich habe da einen Verdacht. Im Übrigen ist, wie Du siehst, dieses Thema so heiß, das es viele Leute, trotz intensivster Bemühungen einer ausführlichen Beschreibung, nicht verstehen. (Leute, die es nicht umsetzen können oder nicht probiert haben, können es auch nicht verstehen, hier wieder mal ein Beweis für den Dunning-Kruger-[Riedl]-Effekt). Dies Art zu führen ist wahrscheinlich noch nicht einmal Spitzentänzern bewusst, weil sie noch nie darüber reflektiert haben und es immer schon so gemacht haben. Sie ist entscheidend um im einen mentalen Kontakt gut zu tanzen, schwierig zu erklären. Manche Lehrer versuchen es dann auf der Meta-Ebene mit Worten wie „con corazon“ zu umschreiben, was aber auch nicht hilft.