Tango-Blogs zwischen Meinung und Verantwortung – oder: Wenn der Hobbykritiker plötzlich Geltung will

Ich habe einen Brief bekommen. Die Autorin stellte die Frage, ob ein Blogger wirklich die Verantwortung trägt, die ich in meinen Forderungen an Gerhard Riedl formuliert habe.
Die Fragen die sich daraus ableiten, sind:

Was darf ein Blog? Und was sollte er – gerade dann, wenn er regelmäßig gelesen wird und Meinungen beeinflusst?
Wann wird ein Blog nicht mehr nur privates Tagebuch, sondern Teil des öffentlichen Raums?

Und wie viel Verantwortung tragen wir dann als Blogger:innen – auch im Tango?


Blogs als Meinungsräume – nicht nur Tagebücher

Viele Blogs entstehen aus persönlichen Motiven. Sie sind Reflexionsflächen, Ventile, digitale Notizbücher. So gesehen ist ein Blog erst einmal harmlos – er erhebt keinen Anspruch auf journalistische Objektivität, keine wissenschaftliche Tiefe.

Aber was, wenn ein Blog regelmäßig über andere Menschen schreibt? Über Unterrichtsformate, ihre Musikvorlieben, Lehrer:innen, Paare, Entwicklungen in der Szene? Und das mit klarer Haltung, oft mit satirischem Ton, manchmal mit scharfer Abwertung?

Dann entsteht Wirkung – ob man das beabsichtigt oder nicht.

Spätestens wenn ein Blog Wahrnehmung prägt und von anderen zitiert, aufgegriffen und weitergetragen wird, betritt er den Raum der Öffentlichkeit. Und dort gelten andere Maßstäbe – nicht juristisch, aber ethisch.


Kritik darf subjektiv sein – aber nicht folgenlos

Natürlich ist Kritik immer ein Stück weit subjektiv.
Man braucht auch kein Zertifikat, um sich zu äußern.

Aber:
Wer regelmäßig Urteile fällt, beeinflusst andere.
Und wer sich öffentlich positioniert, sollte sich auch fragen, worauf seine Einschätzungen basieren – und wie differenziert sie formuliert sind.

Gerade im Tango, wo Unterricht oft mit persönlicher Leidenschaft verbunden ist, treffen Worte schnell ins Zentrum. Wenn dann spöttisch oder zynisch über Lehrer:innen oder Konzepte gesprochen wird – ohne konkrete Erfahrung vor Ort – wird aus Meinung schnell Abwertung.

Das ist kein Verbot, sondern ein Hinweis: Worte wirken.


„Wenn’s nicht wichtig ist – warum regt ihr euch so auf?“

Ein gern genutzter rhetorischer Trick lautet:
„Wenn dieser Blog doch so irrelevant ist – warum gebt ihr ihm so viel Aufmerksamkeit?“

Weil er eben nicht irrelevant ist. Weil er gelesen wird. Zitiert wird.
Sich mit seinem Namen in der Szene ein Image aufgebaut hat.
Und weil er – ob bewusst oder nicht – Urteile prägt. Über Lehrer:innen, Paare, Formate.

Wer öffentlich Einfluss nimmt, kann sich nicht auf Privatmeinung zurückziehen, sobald Gegenwind kommt.


Satire – ein scharfes, aber kein freies Messer

Oft höre ich in Diskussionen: „Das ist doch Satire – das darf man!“

Richtig – Satire darf zuspitzen, entlarven, kritisieren. Sie ist ein wichtiges Mittel im öffentlichen Diskurs. Aber sie verlangt auch Präzision, Fairness und die Fähigkeit zur Selbstreflektion.

Satire, die austeilt, aber auf Gegenkritik empfindlich reagiert, verliert an Kraft.
Und Satire, die sich bei Widerspruch auf „Hobby-Status“ zurückzieht, verliert an Glaubwürdigkeit.

Wenn der satirische Ton zur Ausweichstrategie wird, wird’s schwierig.


Die Moral von der Geschichte?

Ein Tango-Blog ist heute keine private Randnotiz.
Er ist, je nach Tonlage und Reichweite, Teil der Szeneöffentlichkeit.
Er wirkt – auf Schüler:innen, Veranstalter:innen, Lehrende.

Und wer dort schreibt, urteilt, bewertet oder spottet, steht nicht außerhalb, sondern mittendrin.

Wer Geltung will, trägt Verantwortung.
Und wer schreibt, darf gelesen – und hinterfragt – werden.


Klaus Wendel
April 2025

3 thoughts on “Tango-Blogs zwischen Meinung und Verantwortung – oder: Wenn der Hobbykritiker plötzlich Geltung will

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